Transformation & Digitalisierung der Verteilnetze - Part 2
Zweiter Part unserer Reihe Transformation & Digitalisierung der Verteilnetze. Wir widmen uns in diesem der konkreten Umsetzung der Transformation und was diese für die Verteilnetzbetreiber bedeutet. Den ersten Part gibt es hier zu lesen.
Was bedeutet diese Transformation konkret für Verteilnetzbetreiber?
Verteilnetzbetreiber müssen künftig den Zustand ihrer Netze zu jeder Zeit genau kennen. Wo liegen die aktuellen Kapazitäten und vor allem die Grenzen für weitere Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen. Je besser sie die Auslastung ihrer Netze kennen, desto genauere Aussagen können sie treffen, wie viele Erzeugungsanlagen mit erneuerbaren Energien und viele Ladepunkte oder Wärmepumpen in einzelnen Netzabschnitte noch angeschlossen werden können.
Stellen sie Lücken oder Engpässe fest, gilt es, die Frage nach möglichen Maßnahmen zu beantworten.
Die erste Maßnahme ist die klassische Lösung, der Netzausbau. Es ist noch immer der zentrale Weg gemäß der Netzentgeltregulierung, der jedoch mit hohen Kosten verbunden ist. An einem Netzausbau wird man vielerorts nicht vorbeikommen, aber er ist sehr teuer.
Die zweite Lösung ist der Ausbau der Messtechnik mit intelligenten Messsystemen. Mit Smart Metern können Netzbetreiber den Zustand aller Netzkomponenten überwachen, Netzaktivitäten und -transaktionen messen sowie einzelne Prozesse gezielt steuern. Dieser Weg hilft, das Netz und seinen Zustand besser kennenzulernen.
Die dritte Variante sind die innovativen, digitalen Ansätze, die Netzbetreiber heute nutzen können. Dazu gehören Netzsteuerung durch IT-Systeme mit der Nutzung von Flexibilitäten, digitale #Plattformen, künstliche Intelligenz und digitale Zwillinge. Diese Werkzeuge eröffnen neue Möglichkeiten, besonders wenn einheitliche Datenmodelle für eine bessere Kommunikation der beteiligten Akteure verwendet werden.
Stehen die einzelnen Lösungen im Wettbewerb oder widersprechen sie sich? Im Einzelfall gilt es, abzuwägen, welcher Weg passend ist. Häufig wird am Ende eine Kombination aus allen Wegen stehen. Der Ausbau der Messtechnik ist eine Voraussetzung für die innovativen, digitalen Ansätze und daraus wird ersichtlich, an welchen Stellen ein Netzausbau erforderlich wird.
Die große Schwierigkeit dabei: Die Netze, die wir 2030 brauchen, müssen heute geplant und gebaut werden.
Lösung des Engpassmanagements nach § 14a EnWG
Seit Anfang 2024 verfügen Verteilnetzbetreiber über ein neues Instrument zur netzorientierten Steuerung des Bedarfs in ihren Netzen.
Sie dürfen jetzt nicht mehr den Anschluss von Wärmepumpen oder neuen privaten Ladeeinrichtungen für E-Autos mit der Begründung ablehnen oder verzögern, dass eine lokale Überlastung entstehen könne. Sie dürfen jedoch in einem akuten Fall die Belastung reduzieren und den Netzbezug durch steuerbare Verbrauchseinrichtungen, wie Ladepunkte und Wärmepumpen, temporär auf minimal 4,2 kW herunterregeln. Dafür müssen sie durch eine Netzzustandsermittlung die aktuelle Belastung kennen. Es muss also ein entsprechender Ausbau von Messsystemen und Steuergeräten vorhanden sein.
Regelmäßige Eingriffe sollen durch einen vorausschauenden und bedarfsgerechten Ausbau der #Stromnetze vermieden werden.
Stehen Netzwerkberechnungen und netzplanerische Analysen zur Verfügung, besteht alternativ die Möglichkeit einer präventiven Steuerung, wenn die Ergebnisse auf einen drohenden Engpass hindeuten. Die Steuerung ist jedoch nur auf zwei Stunden pro Tag begrenzt. Anschließend muss der Netzbetreiber innerhalb von 24 Monaten auf eine netzorientierte Steuerung anhand gemessener Echtzeitwerte umstellen. Die präventive Steuerung ist nur bis 31.12.2028 zulässig.
Alle Eingriffe müssen die Netzbetreiber mit der Begründung dokumentieren und auf einer zentralen Internetplattform als Nachweis speichern.
Alternativen zur Nutzung der Flexibilitätspotenziale
Der Eingriff der Netzbetreiber zur Steuerung der Last wurde lange Zeit kritisch betrachtet. Bevor es zu der jetzigen Lösung kam, waren andere diskutierte Lösungen sehr umstritten und wurden als Eingriff in die Freiheit der Verbraucher betrachtet.
Dynamische Stromtarife geben Verbrauchern heute die Möglichkeit, sich nach dem Angebot an Strom im Netz zu richten. Diese Freiheit könnte jedoch zu einer Überlastung der lokalen Netze führen, wenn zu viele Geräte gleichzeitig genutzt werden.
Eine andere Alternative können dynamische oder variable Netzentgelte sein. Diese ändern sich entsprechend der Auslastung in einem Netzgebiet. Allerdings ist dieses Instrument in Deutschland bislang noch nicht einsetzbar.
-------
Im dritten Part beschäftigen wir uns mit Lösungen im Rahmen der Digitalisierung der Verteilnetze. Der dritte Part erscheint kommenden Dienstag, am 3. September.
Der Ausarbeitung wurde von Andreas Kühl verfasst. Experte, Autor und Content-Creator für fundierte Texte rund um die Energiewende, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Gerne in seinem Blog energynet vorbeischauen.