August 2024

Transformation und Digitalisierung der Verteilnetze

Sollen die Klimaziele erreicht werden, ist ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig, damit die Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt. Neue, komplexe Regulierungen und Vorschriften für die Netzbetreiber sind erforderlich, um die Stabilität des gesamten Systems zu gewährleisten.
Die Energieversorgung ist in der Vergangenheit unter völlig anderen Voraussetzungen geplant und gebaut worden. Die Strom- und Energieversorgung verändert sich und zwingt auch die Netzbetreiber, sich anzupassen.
Wir haben in Deutschland 875 Verteilnetzbetreiber Strom in der Nieder- und Mittelspannungsebene, die zusammen ein Leitungsnetz von 1,88 Millionen Kilometern betreiben. Dort passieren die Veränderungen, die eine Transformation erforderlich machen. Digitalisierung ist eine entscheidende Reaktion auf diese Herausforderung.
In unserer 3-teiligen Reihe widmen für uns diesem wichtigen und sehr aktuellem Thema der Digitalisierung der Verteilnetze. Wir erläutern die Herausforderungen der Netzbetreiber, beschreiben die Notwendigkeit einer Transformation, was diese bedeutet und wie eine Digitalisierung eine zielführende Lösung darstellt. Lesen Sie folgend, vor welchen Herausforderungen Netzbetreiber heute insbesondere stehen.

Herausforderungen der Netzbetreiber

Die Infrastruktur der Stromversorgung erlebt eine Transformation, die es in diesem Umfang bisher nicht gegeben hat. Strom wird zunehmend dezentral erzeugt und entsprechend dem Angebot an Energie aus Sonne und Wind fluktuierend ins Netz eingespeist. Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll deutlich erhöht werden.

Der Ausbau der Anlagen zur Erzeugung des Solarstroms erfolgt überwiegend mit kleinen Anlagen im Bereich der Nieder- und Mittelspannung. Das führt zu einer zunehmend dezentralen und fluktuierenden Einspeisung in die Verteilnetze. Künftig werden rund 80 Prozent des Stroms in den Verteilnetzen eingespeist, damit müssen diese auch wesentliche Leistungen zur Systemstabilität erbringen (Quelle). Die Anpassung oder der Umbau der Netze muss im laufenden Betrieb geschehen, damit eine kontinuierliche Stromversorgung gesichert werden kann.

Auf Seiten der privaten Verbraucher steigt die Last durch die wachsende Elektrifizierung mit Wärmepumpen und Elektromobilität.

Die schnell wachsende Zahl der räumlich verteilten Erzeugungsanlagen und meldepflichtigen Verbrauchern setzt Netzbetreiber zunehmend unter Druck, die gesetzlichen Fristen für die Netzanschlussprüfung und Registrierung der Anlagen einzuhalten.

Doch bislang fehlt es an Transparenz, insbesondere im Niederspannungsnetz. Für die Betriebsführung sind immer noch die Standardlastprofile (SLP) entscheidend, ohne die Prosumer-Haushalte oder Elektromobilität zu berücksichtigen. Es fehlt an entsprechenden Messungen über den Zustand der Netze, sowohl an den Ortsnetzstationen als auch an den Anschlüssen. Dadurch sind nur wenige Informationen über den Zustand der Netze verfügbar. Es fehlen Möglichkeiten zur Planung und Simulation des Netzausbaus und ohne Netztransparenz durch intelligente Messsysteme ist eine Netzzustandsschätzung nur schwer möglich.

Folglich wird es immer schwieriger, verlässliche Aussagen über den Zustand der Netze zu machen. Dabei ist die Frage, ob noch weitere Erzeuger oder große Verbraucher angeschlossen werden können, wichtig für den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Elektrifizierung von Mobilität und Wärmeversorgung.

Digitaler Zwilling von enersis - Status Quo, Simulation und Darstellung der Auslastung von Versorgungsnetzen hinsichtlich der Transformation zu erneuerbaren Technologien.

Mobilität und Wärme werden zunehmen elektrifiziert. Das bedeutet, die Entwicklung der einzelnen Sparten, Strom, Wärme und Mobilität, kann nicht mehr getrennt voneinander gedacht werden. Jede einzelne Sparte hat Auswirkungen auf die anderen Bereiche, entsprechend hängen die Netzplanungen für Strom, Wärme und Gas zusammen. Eine Abstimmung trägt zur Klarheit über den künftigen Strombedarf bei und wichtig werden für die Netzplanung. Aus Gründen der Kosteneffizienz sollte auch der Ausbau der Glasfasernetze berücksichtigt werden, damit in den Straßen nur einmal gegraben werden muss.  

Durch die monopolartigen Strukturen der Netzbetreiber waren in der Vergangenheit keine Veränderungen notwendig, entsprechend haben sich die Strukturen in den Unternehmen entwickelt. Um schneller auf Veränderungen reagieren zu können, sind jedoch flexible Strukturen erforderlich. Es müssen sich also auch die Unternehmen an sich ändern.

Für die notwendigen Veränderungen benötigen sie qualifizierte Fachkräfte und erfahrene Spezialisten. Hinzu kommt, dass durch die demografische Struktur jedes Jahr viele Mitarbeiter die Unternehmen verlassen und ersetzt werden müssen. Zur gleichen Zeit wird es immer schwieriger, gutes Personal zu finden. Energieunternehmen müssen neue Wege suchen und beispielsweise Personal aus anderen Wirtschaftsbereichen rekrutieren.

Den zahlreichen Aufgaben steht der Druck entgegen, möglichst die Effizienzvorgaben der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) zu übertreffen. Diese reguliert die Netzentgelte und soll Anreize schaffen, besonders wirtschaftlich zu arbeiten. Die Verordnung reguliert die Erlöse durch eine Obergrenze, abhängig von einem bundesweiten Vergleich der Effizienz. Damit werden effiziente Netzbetreiber mit einem Bonus belohnt. Sie berücksichtigt dabei auch die individuellen Kosten der getätigten Investitionen.  

Die verstärkte Regulierung und die damit verbundenen Anforderungen erhöhen den Aufwand der Netzbetreiber. Zu nennen sind unter anderen die Niederspannungs-Netzplanung, § 14a EnWG, flexible Netztarife und bestehende Regelungen, wie Redispatch.

Notwendigkeit einer Transformation in den Verteilnetzen

Über viele Jahrzehnte sind Planung, Bau und Betrieb der Stromnetzinfrastruktur unverändert betrieben worden. Es gab keinen Grund für Veränderungen.

Inzwischen gibt es viele Gründe, denn die Aufgaben im Betrieb der Niederspannungsnetze nehmen zu und werden vielfältiger. Strom fließt nicht mehr nur in Einbahnstraßen von zentralen Großkraftwerken zum Verbraucher. Er fließt in einem Netzwerk und in alle Richtungen. Die Zahl der Erzeuger wird stetig steigen. Die Aufgabe, Erzeugung und Verbrauch aufeinander abzustimmen, wird komplexer.

In der Folge müssen Verteilnetzbetreiber handeln, der Netzausbau allein reicht nicht aus - die Netze müssen auch intelligenter werden.

In der Vergangenheit spielte die Ökologie in der Stromversorgung eher eine Nebenrolle, inzwischen ist sie zu einem wesentlichen Faktor geworden. Die Notwendigkeit eines Wandels zu einer klimaneutralen Strom- und Energieversorgung sorgt für Druck auf Netzstabilität bzw. Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit.

Früher war die Planung für Netzbetreiber deutlich einfacher. Der Bau neuer Kraftwerke hatte einen Vorlauf von mehreren Jahren, ihre Anzahl und die Zahl der Betreiber war überschaubar. Heute wird eine vorausschauende Planung bei zunehmender Dezentralisierung der Erzeugungsanlagen immer schwieriger. Sie stehen auch vor der Pflichtaufgabe (§ 11 EnWG), ihre Netze bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen. Die Planung richtet sich dabei u. a. nach umfangreichen Prognosen anhand der Ziele und des Potenzials der erneuerbaren Energien in der Region. Dies ist beispielsweise in der gemeinsamen Planung der Flächennetzbetreiber in der Region OST gut zu erkennen.

Unterstützung könnte die Planung für die Verteilnetze von anderer Stelle bekommen. In der kommunalen Wärmeplanung legen die Planer und Kommunen Gebiete fest, die sich entweder für eine leitungsgebundene oder eine dezentrale Wärmeversorgung eignen. In Gebieten mit dezentraler Versorgung ist ein Ausbau z. B. von Wärmepumpen wahrscheinlicher als in den Gebieten für zentrale Wärmeversorgung. Auch für eine leitungsgebundene Wärmeversorgung in unterschiedlichen Maßstäben kommen zunehmend Wärmepumpen zum Einsatz. Daher kann die Kooperation der Netzbetreiber mit regionalen und kommunalen Planern ein wichtiger Faktor sein.

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Im zweiten Part widmen für uns der konkreten Umsetzung der Transformation und was diese für die Verteilnetzbetreiber bedeutet. Der zweite Part erscheint kommenden Dienstag, 27. August.

Der Ausarbeitung wurde von Andreas Kühl verfasst. Experte, Autor und Content-Creator für fundierte Texte rund um die Energiewende, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Gerne in seinem Blog energynet vorbeischauen.

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