August 2020

Chancen für die kommunale Energiewende – das GEG kommt

Am 3. Juli hat das Gebäudeenergiegesetz nun auch den Bundesrat passiert. Mit der Anrechenbarkeit von Photovoltaik und der Einführung eines Quartiersansatzes bietet es neue Chancen für die kommunale Energiewende.

Was lange währt

Bereits im Januar 2017 legten die Bundesministerien für Energie und Wirtschaft (BMWi) und für Umwelt und Bauen (BMUB) einen ersten Entwurf zur Zusammenlegung von Energieeinsparungsgesetz (EnEG), Energieeinsparverordnung (EnEV) und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) vor. Ziel war es, das Energieeinsparrecht zu vereinfachen und den von der EU-Gebäuderichtlinie (2010/31/EU) geforderten Niedrigstenergie-Standard für Neubauten gesetzlich zu verankern. Nachdem dieser erste Anlauf im Koalitionsausschuss scheiterte, konnte sich der Bundestag nun am 18. Juni 2020 auf einen neuen Entwurf einigen, welchen auch der Bundesrat am Freitag billigte.

Die Wärmewende ist dringend nötig

Im Jahr 2018 verursachte der Gebäudebereich Emissionen von etwa 117 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Zum Vergleich: Die fünf größten Braunkohlekraftwerke emittierten in diesem Zeitraum ebenso viel. Bezogen auf die Gesamtemissionen stammen 14 Prozent direkt aus Gebäuden. Rechnet man die indirekten Emissionen, die vorgelagerten Erzeugungsbereichen zugeschlagen werden, ebenfalls mit, kommt man sogar auf 30 Prozent. Spätestens hier ist klar: Ohne Wärmewende keine Energiewende. Der Klimaschutzplan sieht daher in seinem „Fahrplan zum nahezu klimaneutralen Gebäudebestand 2050“ als Ziel für 2030 vor, die Gebäudeemissionen um zwei Drittel zu reduzieren. Die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden und der Austausch fossiler Heizsysteme gegen solche, die primär erneuerbare Energien nutzen, sind die wesentlichen Bausteine hierfür.

90 Prozent der Energie in privaten Haushalten für Wärme

Mehr als die Hälfte des gesamten Endenergieverbrauchs entfällt auf Wärmeanwendungen. In den stationären Bereichen Industrie, private Haushalte und Gewerbe, Handel, Dienstleistungen sind es etwa drei Viertel. Betrachtet man nur die privaten Haushalte sind es sogar 90 Prozent. Der größte Anteil hiervon entfällt auf Raumwärme und Warmwasserbereitstellung. Ein Blick auf den Status-quo der installierten Heizsysteme offenbart, welch enormes Potential hier noch schlummert: Öl ist bei Wärmeanwendungen in privaten Haushalten mit einem Anteil von 22 Prozent nach Erdgas immer noch der zweithäufigst genutzte Energieträger. Nach einer Studie des BDEW sind zudem insbesondere die eingebauten Ölheizungen mit einem Durchschnittsalter von 21 Jahren besonders alt (Durchschnitt aller Heizsysteme: 17 Jahre) und arbeiten größtenteils noch nach der veralteten und ineffizienten Niedertemperatur-Technologie.

Transparenz als Schlüssel für Nachverdichtung und Neubau von Wärmenetzen

Bereits das bestehende Energieeinsparrecht sah eine Austauschpflicht für Heizsysteme, die älter als 30 Jahre sind, vor. Neu hinzu kommt nun auch ein Einbauverbot für Ölkessel ab 2026 (mit Ausnahmen u.a. für Hybridsysteme). Gemeinsam mit Fördermöglichkeiten u.a. aus dem Marktanreizprogramm schafft das Anreize, fossil befeuerte Heizsysteme zu ersetzen. Für Betreiber kommunaler Wärmenetze können sich hier neue Absatzchancen durch die Nachverdichtung und den Neubau von Wärmeinfrastruktur ergeben. Laut der BDEW-Studie ließen sich von den derzeit noch 5,8 Millionen mit Öl beheizten Wohngebäuden 2,7 Millionen „relativ einfach entweder auf Erdgas oder auf Fernwärme umstellen“. Für Fernwärme ist insbesondere in mittleren und großen Städten das Potential vorhanden. Ein Schlüssel, um dieses zu heben, ist Transparenz – sowohl für Netzvertriebe als auch für Kunden. 15 Prozent der Befragten gaben in der BDEW-Studie an, dass sie nicht wüssten, ob ein Fernwärmeanschluss vorhanden wäre. Innovative Informations- und Kommunikationskanäle können hier erfolgreich eingesetzt werden, um die Wechselbereitschaft auf der Kundenseite zu beeinflussen.

Quartierslösungen als Chance für kommunalen Klimaschutz

Mit dem im Gebäudeenergiegesetz (GEG) eingeführten Quartiersansatz (§ 107) ergeben sich neue Möglichkeiten für kommunale Unternehmen. Dieser sieht vor, dass die energetischen Anforderungen auch von mehreren Gebäuden gemeinsam erfüllt werden können, sofern sie sich im räumlichen Zusammenhang befinden. Auch hier bietet sich für verschiedene Akteure der Einsatz moderner datengestützter Visualisierungstools an. Energieversorgungsunternehmen, die dem GEG zufolge ausdrücklich an Vereinbarungen über Quartierslösungen beteiligt sein können, ermöglicht es die Identifizierung potenzieller Quartiere und gezielte Kundenansprache. Behördenvertretern hilft es sowohl im Bereich der Städteplanung als auch beim Dokumentieren ihrer Klimaschutzaktivitäten und bei der Beratung der anderen Quartiersbeteiligten. Für Objektentwickler und Architekten bietet es sich ebenso in der Planung und Vermarktung von Projekten an.

Ungenutzte Potentiale in der Photovoltaik erkennen und nutzen

Die Rolle der Photovoltaik wird mit dem GEG und der parallelen Aufhebung des Ausbaudeckels gestärkt. Die Möglichkeit, die eigenerzeugte Solarenergie als Erneuerbare Energie auf den Jahresprimärenergiebedarf des Gebäudes anzurechnen, machen die Nutzung noch attraktiver. Auch die neu eingeführte Bereinigung um die Geschosszahl bei Mehrfamilienhäusern kann in dem Bereich die Nutzung von Photovoltaik interessanter machen, da nun auch bereits kleinere Anlagen angerechnet werden können. Eine gute Möglichkeit für Kommunen dieses Potential weiter auszuschöpfen, liegt in der Einführung eines Solarkatasters. Hierüber können Bürger sich einfach digital informieren, welche Dachflächen sich besonders gut für PV eignen. Auch für Energieversorger ergeben sich Chancen mit innovativen Produkten wie etwa Beteiligungsmodellen („Crowd Investment“) wie zum Beispiel „solar max“ der Energie Uster.

Weiterführende Informationen

BMWi: Gebäude energieeffizienter machen

BMU: Der Klimaschutzplan 2050 – Die deutsche Klimaschutzlangfriststrategie

dena: Gebäude energieeffizient gestalten

AG Energiebilanzen: Anwendungsbilanzen

BDEW: Wie heizt Deutschland 2019?

enersis bringt Transparenz in diese komplexen Themenbereiche. Wir entwickeln und betreiben digitale Plattformen zur Planung und Simulation der Energiewende. Durch datenbasierte Erkenntnisse unterstützen wir Energieversorger, Städte und Unternehmen bei einer effizienten Dekarbonisierung.

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Daniel Keller

info@enersis.ch

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